Ilse Bähnert und der Frosch ohne Maske by Tom Pauls und Mario Süßenguth

Ilse Bähnert und der Frosch ohne Maske by Tom Pauls und Mario Süßenguth

Autor:Tom Pauls und Mario Süßenguth [Süßenguth, Tom Pauls und Mario]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-938325-94-0
Herausgeber: SAXO’Phon GmbH
veröffentlicht: 2015-08-25T16:00:00+00:00


* * *

Kapitel 9

Am seidenen Faden

Mit einem kräftigen Ruck zerrte Ilse Bähnert das leinene Bettlaken unter dem Rücken Bobby Silbers hervor. Der Sänger rollte ein wenig nach rechts und blieb auf der blanken Matratze bleischwer liegen, ohne sich weiter von Ilses Aktivitäten stören zu lassen. Das Bier, der Whiskey und der Wodka hielten sich noch hartnäckig in den Blutbahnen des Künstlers. Er schnaufte leise wie ein Maulwurf, schmatzte hin und wieder und klapperte und knirschte mit den blendend weiß überkronten Zähnen.

Ratsch!

Frau Bähnert zeriss das weiße Laken der Länge nach. Das frisch gestärkte Tuch von der anderen Bettseite hatte sie bereits in vier gleichmäßige Stücke zerteilt und hintereinander zusammengeknotet. Die anderen vier Stoffbahnen knüpfte sie mit flinker Hand an das begonnene Lakenseil an.

„Eene Stoffbahn is gute zwee Meter lang, ich habe acht Bahnen – macht runde sechzehn Meter Stricklänge – und wenn ich Glück habe, reicht das aus“, sagte sie, während der letzte Knoten von ihren zierlichen Händen geschlossen wurde.

„Ich bin ja zum Glück leicht wie eene kleene Fliesche, da wird mich das Laken gewiss sicher von Bord bringen“, flüsterte sie und prüfte die Haltbarkeit der sieben Doppelknoten, in dem sie Stück für Stück des Seils auf den Boden legte, mit dem Fuß darauf trat und den anderen Teil mit beiden Händen kräftig nach oben zog.

„Ha ha, hält, als wärs aus dor guten alten Konsumgüterproduktion“, freute sich die findige Witwe.

Eilig stopfte sie die Textilschlange in ihre geräumige Handtasche und schlich zur Tür. Dort legte Frau Bähnert das linke Ohr glatt ans Türblatt und lauschte, ob sich draußen auf dem Gang noch jemand bewegte. Als sie keinen Laut vernahm, drückte sie langsam und vorsichtig wie ein Meisterspion die Klinke herunter, zog die Tür in Zeitlupentempo auf, um keinen noch so geringen Mucks zu machen. Dann wieselte sie über den Flurteppichbelag zur Treppe, eilte hinauf zum Sonnendeck, das sich in friedlicher Stille und nur schemenhaft erkennbar unterm böhmisch-sächsischen Himmel ausbreitete. Aus dem Kabuff drangen ratzende und kehlige Geräusche, die Ilse beruhigten.

„Schnarchende Männer sind wie bellende Hunde“, dozierte sie: „Sie sind unangenehm, aber die tun eenem nischt mehr!“ Vorsichtig, auf den Schuhspitzen gehend, umkreiste die Seniorin das abgesperrte Areal, hinter dem die Mordtat geschehen war. Sie lief bis zur Reling. Von dort aus nahm sie das Ufer ins Visier – sie schätzte die Entfernung auf etwa acht Meter.

„Müsste zu schaffen sein“, flüsterte sie aufgeregt.

Die Frau kramte in ihrer Tasche und holte eine leere Eierlikörflasche hervor.

„Die ist schwer genug“, sagte sie und band das Glasgefäß als Wurfgewicht an das eine Ende des Seils.

„Und jetzt – zsssst! – wie beim Robin Hood, ab dadormit an die Fähranlegestelle von Schöna“, sagte Ilse.

Sie zielte in Richtung einiger flackernder Lichter am Ufer, wo eine senkrecht stehende Eisenstange vom schwimmenden Fährsteg emporragte.

„Nur die Ruhe“, sagte sie und atmete tief ein, dann holte sie mit dem rechten Arm aus und warf die Flasche mit aller Kraft in Richtung der Anlegestelle.

„Mit een bissel Dusel verhakt sich die Pulle im Gestänge!“

Die Flasche flog – und das Laken flatterte wie ein überlanger Drachenschwanz hinterher. Es klirrte, die Eierlikörflasche musste gegen das Ziel geprallt sein.



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